eSchliessanlagen
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Dr.-Ing. H. Jeschke
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Die Wahl eines passenden Produktes ist ein komplexer Entscheidungsprozess · Die Entscheidung für eine elektronische Schließanlage ist wegen vieler Vorteile häufig gut vertretbar. Die Produkte am Markt sind aus unterschiedlichen Blickwinkeln entstanden, die man in ihren Eigenschaften wiederfindet. Während eine vollelektronische Lösung im Kern ein abstraktes, logisches Zutrittsmodell in Gebäudestrukturen abbildet und daraus Systemkomponenten abgeleitet werden, ist der Blickwinkel bei mechatronischen Lösungen mechanikorientiert. Die Mechanik wird durch eine weitere, elektronische Sperrebene ergänzt, die bei Schlüsselverlusten mehr Sicherheit bietet. Es fällt Entscheidungsträgern oft schwer, abzuschätzen welche Bedeutung die einzelnen technischen Merkmale in der Praxis haben und an alle relevanten Details zu denken.

In Beratungsgesprächen, bei denen ein Produkt erstmalig vom Fachhändler oder vom Vertrieb des Herstellers vorgestellt wird, wirkt Vieles sehr schlüssig und interessant. Doch gibt es je nach Produkt und Gebäudeanforderungen bei einer näheren Betrachtung Unterschiede in der Bewertung der angebotenen Lösungen. Wenn man hier Etwas übersieht, besteht das Risiko, langjährig Kompromisse im Betrieb einer elektronischen Schließanlage eingehen zu müssen. Auch sind bei Fehlentscheidungen Folgekosten oder die Unzufriedenheit der Gebäudenutzer absehbar.

Ein Beispiel aus der Praxis, wie schnell man etwas im Entscheidungsprozeß übersehen kann :

Elektronische Beschläge mit Tastaturen (Eingabe eines Autorisierungscodes für jeden Schließvorgang) erhöhen in der Regel bei Fehleingaben die Zeitintervalle bis zur nächsten erlaubten Neueingabe. So soll gewährleistet werden, daß ein Zutrittscode nicht durch Ausprobieren ermittelt werden kann. Dort, wo kreative Anwender zahlreich vorhanden sind (Schulen), kann dann durch mehrmalige und absichtliche Fehleingaben des Codes der Zutritt zu Räumen für Stunden blockiert werden. Diese technische Lösung und das spezielle Einsatzgebiet passen daher eher weniger zueinander.

 Tipp: Für Produkte in der engeren Wahl sollten Referenzinstallationen angesehen werden ! 

Hersteller oder Händler haben meist Listen mit Referenzobjekten oder Kunden in der Nähe, wo Auskünfte eingeholt werden können. Häufig kann man von einem mehrjährigen Betrieb ausgehen, bei dem Systembetreuer vielfältige Erfahrungen gesammelt haben. Fragen Sie nach der Handhabung eines Systems in der Praxis, nach Batterielaufzeiten und ob die Systemkomponenten (elektronische Schließzylinder/ Beschläge, Transponder/ Schlüssel, Verwaltungssoftware, usw.) langjährig zuverlässig arbeiten. In der Regel ergibt sich ein reger und offener Informationsaustausch und man erfährt viele wichtige Details, die man aus einem Datenblattstudium nicht gewinnen kann. Oft bietet sich vor der Beschaffung einer großen Neuanlage, eine kleinere Testinstallationen im eigenen Gebäude an.

Eine Elektronische Schließanlage muß zu allen Türen passen · Bei der Entscheidung für eine Elektroniklösung kommen im Vergleich zu klassischen Mechanikzylindern neue, technische Fragestellungen hinzu. So müssen je nach Produkt im Vergleich zu Mechanikzylindern abweichende oder zusätzliche Anforderungen an die Betriebsbedingungen berücksichtigt werden (Temperatur, Feuchtigkeit, mechanische Belastungen, magnetische/ elektromagnetische Einstrahlung). Es empfiehlt sich, hier frühzeitig die Einbauvorschriften des Herstellers zu lesen. Neben den Betriebsbedingungen müssen auch die Abmessungen der Komponenten bei Knauflösungen oder bei Beschlagslösungen berücksichtigt werden. Kritisch sind hier manche Türen mit schmalen Rohrrahmenprofilen und oder Rauchabschlußtüren.

Bild 7: Elektronischer Schließzylinder im Außeneinsatz.

Ein einfaches Beispiel zu den hohen Anforderungen an ein Produkt · Bei Einsatz eines Elektronikzylinders in einem Außentor (Bild 7) müssen hohe mechanische Impulsbelastungen, Hitze, Kälte und Feuchtigkeit beherrscht werden.

Bild 8: Elektronischer Beschlag in der Außentür einer Hotelanlage. Der Beschlag steht über (rot umrandet und vergrößert dargestellt), weil er für das eingesetzte Rohrrahmenprofil zu breit und zu hoch ist.

Bauform der Schließanlagenkomponente paßt nicht zur Tür · Bei dem in Bild 8 dargestellten Beispiel steht ein elektronischer Beschlag etwas über. Es ergeben sich mechanische Ansatzpunkte zum Aufhebeln des Türverschlusses. Insgesamt wirkte hier die Montage des Beschlages an der Tür recht wackelig.

Planung und Betreuung: Wandel von Mechanik zu Elektrotechnik und EDV · Je nach Produkt müssen für Elektronische Schließanlagen neue Installationsanforderungen (Elektro, IT-Infrastruktur: Daten-Netzwerk) beherrscht werden. Auch wird man in der Regel schon ab wenigen Türen eine Schlüsselverwaltung am PC durchführen. Das ist zwar auch für mechanische Schließanlagen über eine Verwaltungs-Software (evtl. mit Datenbankansatz und verteilten Clients) sehr sinnvoll und praxisbewährt, läßt sich hier notfalls noch ignorieren. Bei Elektronischen Schließanlagen muß schon ab wenigen Türen die Systembetreuung am Computer erfolgen.

Produktauswahl mit Hilfe einer einfachen Multikriterienanalyse · Der Entscheidungsprozeß für eine Elektronische Schließanlage und die Auswahl eines passenden Produktes können komplex und langwierig sein. Auf Grund der Investitionskosten sind in Unternehmen und Behörden in der Regel viele Entscheidungsträger beteiligt. Damit prägen unterschiedliche Sichtweisen/ Präferenzen den Entscheidungsprozeß. Ein Beispiel für verschiedene Sichtweisen ist die wichtige und häufige Diskussion, ob als Identmedium Chip-Karten oder elektronische Schlüssel/ Transponder gewählt werden sollen. Chip-Karten passen meist gut zu bestehenden Abrechnungs- und Zeiterfassungslösungen. Ob die Handhabung von Chip-Karten oder von Transpondern an Türen einfacher ist, ist eine Geschmacksfrage, die sich nur schwer diskutieren läßt. Aktiv-Transponder-Technologien bieten technologisch das Potenzial einer höheren Energieeffizienz und damit lange Batterielaufzeiten in Schließzylindern.

Die in einem Produkt realisierbaren technischen Merkmale weisen untereinander Abhängigkeiten auf. Es ist daher abzuraten, im ersten Schritt generelle Vorentscheidungen an Hand einzelner Kriterien (Beispiel: Typ des Identmediums) zu treffen, weil man so möglicherweise Lösungen ausschließt, die besonders gut die eigenen Anforderungen in der überwiegenden Anzahl der zu berücksichtigenden Kriterien erfüllen.

 Tipp: Eine ausgewogene Produktentscheidung erfordert eine Multikriterienanalyse über alle Einzelanforderungen ! 

Notwendige Voraussetzung für die Einsatzbarkeit eines Produktes ist eine zu allen Türen eines Gebäudes passende Bauform der Schließanlagenkomponenten. Vom Hersteller spezifizierte Betriebsbedingungen müssen genau eingehalten werden. Beide Kriterien sind noch relativ einfach zu beurteilen. Eine grundsätzlich einsetzbare Lösung muß nicht die beste Lösung für das eigene Gebäude bedeuten.

Es empfiehlt sich, im ersten Schritt produktneutral eine Liste aller Anforderungen über die relevanten Kriterien aufzustellen (Spalte 1 in nachfolgender Tabelle). Beispiele für Kriterien sind ein langer Betriebszeitraum eines Batteriesatzes, eine hohe Anzahl der Identmedien pro Tür, die maximale Größe einer Schließanlage in Anzahl der Schließzylinder und und Anzahl der Transponder und die Kosten für das eigene Gebäude (Investition und Unterhalt). Für jedes Produkt kann man im zweiten Schritt nach dem zum Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisstand festlegen, wie gut es die Anforderungen erfüllt.

Beispiel:

Bei vier ausgewählten Produkten ist die Anzahl der Schließungen mit einem Batteriesatz für Produkt 1 80.000, Produkt 2 60.000, Produkt 3 150.000 und Produkt 4 78.000. Das Ergebnis der Reihenfolge der Plätze wird in nachfolgender Tabelle in der 3. Zeile dargestellt. Produkt 3 gewinnt den Vergleich mit dem ersten Platz.

Setzt man diesen Vergleich für alle weiteren Anforderungskriterien fort, die man für wichtig hält, kann man abzählen, welches Produkt die meisten ersten Plätze gewinnt.

Für Produkte mit vielen ersten Plätzen (siehe letzte 2 Zeilen in nachfolgender Tabelle) hat man dann trotz aller Unsicherheiten zum Entscheidungszeitpunkt einen brauchbaren Indikator für eine gut begründete und fundierte Produktauswahl. Nachfolgend wird ein Beispiel mit fiktiven Zahlen für die Tabelle angegeben. Die eingetragenen Werte sind nur zur Verdeutlichung des Verfahrens eingetragen. Produkt 3 ist in diesem Beispiel die beste Lösung. Produkt 4 folgt dicht auf. Danach folgt Produkt 1, das aber nur für kleinere Anlagen mit wenigen Türen sinnvoll ist und zu 30% der eigenen Türen von der Bauform her nicht paßt (Aussschlußkriterium !). Die Produkte 3 und 4 sollten in diesem Beispiel die engere Wahl einbezogen werden. Weitere Kriterien, die man für das eigene Gebäude braucht, sollten ergänzt werden. Kriterien, die man nicht benötigt, können wegfallen.

Das vorgeschlagene Verfahren einer Multikriterienanalyse kann leicht in Tabellenkalkulationsprogrammen oder auf Papier realisiert werden. Erfahrungsgemäß hilft das vorgestellte Verfahren, gut begründet zu einer am besten passenden Lösung zu kommen und sie mit guten Argumenten durchzusetzen.

Nachteilig an diesem Verfahren ist aber, dass oft vorschnell genau eine Lösung auf dem ersten Platz landet, während andere kaum schlechtere Alternativen deutlich abqualifiziert werden. Für dieses Problem haben wir eine Fuzzy-Multikriterien-Analyse entweickelt, die in Begutachtungs- und Beratungsprojekten eingesetzt wird und sich dort bei vielen Kunden bewährt hat.

Alle eingetragenen Zahlenwerte sind fiktiv ! Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3 Produkt 4 Produkt ... Produkt N
Anteil der Gebäudetüren, zu denen das Produkt paßt 70 %
(Platz 3)
90 %
(Platz 2)
100 %
(Platz 1)
100 %
(Platz 1)
... 40 %
(Platz 4)
Anzahl der Schließvorgänge mit einem Batteriesatz 80.000
(Platz 2)
60.000
(Platz 4)
150.000
(Platz 1)
78.000
(Platz 3)
... 20.000
(Platz 5)
Standby-Zeit in Jahren mit einem Batteriesatz 6
(Platz 1)
2
(Platz 4)
4
(Platz 2)
3
(Platz 3)
... 2
(Platz 4)
Max. Anzahl der Identmedien pro Tür 2.000
(Platz 5)
16.000
(Platz 4)
64.000
(Platz 2)
100.000
(Platz 1)
... 20.000
(Platz 3)
Max. Anzahl der Türen im Schließplan 128
(Platz 5)
32.000
(Platz 4)
1.000.000
(Platz 1)
500.000
(Platz 2)
... 64.000
(Platz 3)
Max. Anzahl der Identmedien im Schließplan 8.000
(Platz 3)
64.000
(Platz 2)
1.000.000
(Platz 1)
1.000.000
(Platz 1)
... 64.000
(Platz 2)
Zuverlässigkeit im Betrieb (Platz 1) (Platz 2) (Platz 1) (Platz 1) ... (Platz 3)
Kosten für Gesamtsystem (Platz 1) (Platz 2) (Platz 5) (Platz 4) ... (Platz 3)
Bewertung der Schließplan-Verwaltungssoftware (Platz 3) (Platz 5) (Platz 1) (Platz 2) ... (Platz 4)
... eigene Kriterien in weiteren Zeilen... ... ... ... ... ... ...
Mittelwert der Platzierung 2,7 3,7 1,7 2,1 ... 3,4
Anzahl der ersten Plätze 3 0 6 4 ... 0